Das im 5. Jahrhundert entstandene Prosimetrum des Martianus Capella De nuptiis Philologiae et Mercurii (Über die Hochzeit des Merkur und der Philologie) bietet eine enzyklopädische Einführung in die Artes liberales, die es in einer das erste und zweite Buch umfassenden allegorischen Szene so aufeinander bezieht, dass sie ein das Ganze der Wirklichkeit erschließendes Wissenssystem bilden. Das Werk ist in neun Büchern überliefert, deren erste beiden die eigentliche Hochzeit des Merkurs mit der Philologie darstellen, während die folgenden sieben Bücher jeweils einer der sieben freien Künste gewidmet und durch die Rahmenhandlung und die jeweils einleitenden Verse lose mit dem Anfang des Werkes verknüpft sind. Das Werk wurde von den Klassischen Philologen der Neuzeit nur wenig geschätzt. Mittelalterliche Leser dagegen schätzten das Werk des Martianus umso mehr, wie die mehr als dreihundert erhaltenen Handschriften und zahlreiche Kommentare eindrücklich bezeugen. Das Werk des Martianus wurde rasch zum klassischen Lehrbuch des mittelalterlichen Schulbetriebs. Als solches wird es bis ins 15. Jahrhundert kommentiert und dadurch für den Unterricht nutzbar gemacht.
Die Grundlage des Projektes bildet eine Handschrift der Kölner Diözesan- und Dombibliothek (Cod. 193). Sie enthält den Text des Martianus Capella mit zahlreichen später hinzugfefügten Glossen. Der Haupttext ebenso wie der Glossentext sind in bisweilen sehr unruhiger und gelegentlich dicht gedrängter karolingischer Minuskel geschrieben. Dabei lassen sich für den Haupttext mindestens 5 Hände unterscheiden. Die dem Haupttext hinzugefügten Glossen sind sehr ungleichmäßig auf die neun Bücher des Werkes verteilt. Während das erste Buch mit über 1000 Interlinear- und zahlreichen Marginalglossen kommentiert und vom zweiten Buch an Glossierungsdichte noch übertroffen wird (z.T. mehr als 50 Glossen pro Seite), sind für die, die einzelnen Artes behandelnden, übrigen sieben Bücher deutlich weniger Glossen eingetragen. Fast allen Glossen in den Büchern III bis IX ist gemeinsam, dass sie von der Schreiberhand des Haupttextes eingetragen wurden. Deutlich abweichend ist das Bild in den ersten beiden, der eigentlichen Fabula und damit dem erzählten System gewidmeten Büchern. Hier zeigt sich fast auf jeder Seite das intensive Zusammenwirken unterschiedlicher Glossatoren und Texttraditionen.
Prof. Dr. Marc-Aeilko Aris hat das Editionsprojekt ins Leben gerufen und mit Frau Prof. Dr. Claudia Wiener (Persius-Edition) geleitet. Durch die Digitalisierung der Handschriften der Erzbischöflichen Diözesan- und Dombibliothek Köln im Rahmen der Codices Electronici Ecclesiae Coloniensis (CEEC), wo sich auch eine Handschriftenbeschreibung findet, war eine entscheidende Voraussetzung für die Verwirklichung dieser editorischen Unternehmung geschaffen. Ziel des Projekts war es unter anderem, die Möglichkeit zu schaffen, aus den Daten der Druckedition parallel eine digitale Edition zu generieren.
Im Rahmen des LMUexcellent-Projekts „Editing glosses“ edierten Monika Isépy und Bernd Posselt unter Mitarbeit von Teresa Behmer die Glossen zu Martianus Capellas De nuptiis Philologiae et Mercurii der Kölner Handschrift 193 (Köln, Dombibliothek 193). Die Druckedition ist erschienen unter: Isépy, Monika und Posselt, Bernd (hrsg.): Die Glossen zu Martianus Capella im Codex 193 der Kölner Dombibliothek. Libelli Rhenani XV, Köln 2010.